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Aus der Welt der Literatur



2003-12-10
Hilfe, die Herdmanns kommen (Robinson; Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg)

Die Weihnachtsgeschichte, das Krippenspiel in einer niemals zuvor zugänglich gemachten Weise. Kinder aus einer asozialen Familie, verwildert und gefürchtet, drängt es in die tragenden Rollen der mitwirkenden Schüler. Die Bürger der Kleinstadt sind entsetzt ....und erleben ein Wunder. Eine Geschichte fern von Rührseligkeit und pausbäckigen Engeln, doch voller leiser Botschaften inmitten der oft burschikos und humoresk daherkommenden Handlung.

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Textauszug:

Die Herdmann-Kinder waren die schlimmsten Kinder aller Zeiten. Sie logen und klauten, rauchten Zigarren (sogar die Mädchen) und erzählten schmutzige Witze. Sie schlugen kleine Kinder, fluchten auf ihre Lehrer, mißbrauchten den Namen des Herrn und setzten den alten, verfallenen Geräteschuppen von Fred Schuhmacher in Brand.
Das Gerätehaus brannte nieder bis auf den Grund, und ich glaube, das überraschte die Herdmanns. Sie setzten ständig irgendetwas in Brand, aber es war das erste Mal, daß sie es schafften, ein ganzes Gebäude niederzubrennen.
Ich schätze, es war ein Unfall. Ich glaube nicht, daß sie an jenem Mogen, nachdem sie aufgewacht waren, zueinander sagten: "Los, wir gehen und zünden Fred Schuhmachers Schuppen an!"
Oder vielleicht doch? Schließlich war Samstag und nicht viel los.
Es war ein ungeheures Feuer - mit zwei Feuerspritzen, zwei Polizeiautos, der ganzen Freiwilligen Feuerwehr und fünf Dutzend Pfannkuchen, gestiftet von der Imbißstube an der Ecke. Die Pfannkuchen waren für die Feuerwehrmänner bestimmt, aber bis die das Feuer gelöscht hatten, waren die Pfannkuchen weg. Die Herdmanns hatten sie erwischt, und was sie nicht essen konnten, stopften sie sich in die Taschen und vorn in den Hemdenausschnitt. Man konnte die Pfannkuchen richtig sehen, rundherum um Olli Herdmanns Gürtellinie.
Ich konnte nicht verstehen, warum die Herdmanns am Ort ihres Verbrechens blieben. Jeder wußte, daß es ihre Schuld war. Da hätte man doch annehmen können, daß sie schlau genug wären abzuhauen.
Ein Feuerwehrmann packte sogar Klaus Herdmann am Kragen und fragte: "Habt ihr das Feuer gelegt beim Zigarrenrauchen im Schuppen?"
Aber Klaus sagte nur: "Wir haben keine Zigarren geraucht!"
Und das hatten sie auch nicht. Sie hatten mit Leopold Herdmanns Chemiekasten, Marke "Einstein Junior", gespielt, den er im Kaufhaus geklaut hatte. Und so war der Brand entstanden:
"Wir mischten alle Pülverchen zusammen", berichtete Leopold, "schütteten Feuerzeugbenzin darüber und zündeten es an. Wir wollten sehen, ob der Chemiekasten etwas taugt."
Jedes andere Kind - sogar ein schlimmes - hätte einen Anflug von schlechtem Gewissen gehabt, wenn es etwas für 4 Dollar 95 gestohlen und dann ein Haus damit niedergebrannt hätte. Aber Leopold war nur wütend, daß der Chemiekasten mit allem Drum und Dran verbrannt war, bevor er Gelegenheit hatte, eine oder zwei Bomben damit zu basteln.



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