Kritikus
11.12.2004 Elfriede Jelinek
Sie erhält den Literatur-Nobelpreis und geht nicht zur Verleihung der größten Weihe, die ein Schriftsteller in dieser Welt erhalten kann. Sie nennt Angst als Grund, nicht in Stockholm zu erscheinen, Angst, vor einer so großen Menschenmenge aufzutreten. Menschen, die sie an sich herankommen läßt, sagen, daß es kein vorgeschobener Grund ist, sie leide tatsächlich unter dieser Phobie, „Agoraphobie“ genannt. Wir erinnern uns an ihr männliches Pendant aus Deutschland, das von den Feierlichkeiten überhaupt nicht mehr lassen wollte, bis hin zum Beginn der Lächerlichkeit, des Clownesken.
Nein, all das ging nicht mit Frau Jelinek.
Irgendwie hat diese Frau, selbst wenn man von ihr bisher noch nicht viel gehört hat, zum ersten Mal vielleicht bewußt ihr Bild gesehen hat, durch die Ereignisse um die Preisverleihung eine besondere Gestalt angenommen; man glaubt, man ist sich bald sicher, etwas von Charisma, von Aura zu entdecken und kann es nicht begründen, warum das so ist. Respekt, denkt man sich, Respekt vor diesem öffentlichen Eingeständnis der Angst, vor dem Verzicht auf die größtmögliche, unwiederbringliche PR-Gelegenheit, zu der sie sich vielleicht, trotz der Angst, doch hätte durchringen können.
Respekt, Frau Jelinek! Auf dem Weihnachtstisch wird ein Buch von Ihnen liegen, ja, ganz sicher wird es das.
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