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Buch des Monats


Hier stellen wir Ihnen "Das Buch des Monats" vor. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sie orientiert sich auch nicht an den gängigen Publikationen über die aktuelle literarische Szene, sondern spiegelt einzig und allein die subjektive Meinung und das Literaturverständnis der Redaktion wider.

Wir werden uns zwar immer alle erdenkliche Mühe bei unserer Auswahl geben. Gleichwohl können wir nicht ausschließen, daß unser ausgesuchtes Buch des Monats nicht immer ungeteilten Beifall findet. Doch dieses Risiko wollen wir in Kauf nehmen.




Das Buch des Monats November 2018
Titel: Der erste Sohn
Autor(en): Phillip Meyer
Verlag: btb (607 Seiten / € 12,99)
ISBN-Nr.: 3-442-71309-7

Phillip Meyer, Autor dieses Buches, weist einen ungewöhnlichen Lebenslauf auf. 1974 in New York geboren, erwarb er über ein College die allgemeine Hochschulreife, betätigte sich dann für ein paar Jahre als Fahrradmechaniker und Assistent bei der Hilfe für Schock-Trauma-Patienten. Mit zwanzig Jahren erwachte in ihm der Wunsch, Schriftsteller zu werden; er schrieb sich an der Cornell-Universität in Ithaka ein, einer der renommiertesten Universitäten der USA. Doch die Machenschaften der Finanzwelt mißfielen ihm gleichwohl, er verließ die Szene, mit deren Gebaren er anschließend entschieden abrechnete, nachzulesen u. a. 2010 in der Zeitschrift "Literaturen".

Sein Debütroman "Rost" (2009) errang gleich großes Aufsehen, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Gleichzeitig wurde er Nutznießer mehrerer Stipendien, schrieb während seiner Arbeit am Roman Kurzgeschichten für amerikanische und englische Zeitungen. Sein zweiter Roman, das hier vorgestellte Buch „Der erste Sohn“ (2013 / Original-Titel „The Son“) brachte die Bestätigung für sein außerordentliches schriftstellerisches Talent, wurde in Amerika alsbald zum Bestseller, eroberte auch rasch nach der Übersetzung ins Deutsche (2014) die einschlägigen Listen bei uns im Lande. Wie schrieb die F.A.Z zum spektakulären Wandel des ehemaligen Bankers: „Ein ehemaliger Finanzhai ist gerade dabei, zu einem großen Erzähler und Chronisten Amerikas zu werden.“


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Philipp Meyer räumt in seinem Roman gründlich auf mit einer ganzen Reihe von hartnäckigen Klischees über den Wilden Westen, über die Indianer und den Weißen Mann. Weder die Karl-May-Romane noch die unzähligen Westernfilme mit John Wayne und allen anderen Haudegen dieses Genres haben viel mit der damaligen Wirklichkeit zu tun. Nur handverlesen gab es Winnetous als weise Indianerhäuptlinge und genauso handverlesen aufrechte, gerechte Marshalls und Sheriffs und Texas-Ranger. Die Indianer zur Zeit der Besiedelung ihrer Landstriche durch die Weißen bekämpften sich wie eh und je untereinander bis aufs Blut, nachdem sie mit ihren Vorfahren, darunter unter anderem auch die Angehörigen der Mogollon-Kultur, nicht zimperlich verfuhren und zur Be-deutungslosigkeit dezimierten oder vertrieben. Die dann folgenden Aus-einandersetzungen zwischen den Indianern und den weißen Eroberern verliefen äußerst brutal. Töten und massakrieren waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das Skalpieren führten nicht die Weißen ein, sondern war ein gewöhnlicher Brauch bei den Indianern, sie praktizierten diese blutige Handwerk seit jeher untereinander, und als der Kampf mit den Weißen begann, wurde es einfach bei ihnen fortgesetzt. Die Weißen übernahmen das bestialische Ritual, das nicht selten am noch lebenden Menschen vollzogen wurde, erst recht, als es Prämien für jeden getöteten Indianer gab und Nachweise in Form des Skalps gefordert wurden. Den legendären Marterpfahl im Indianerdorf gab es tatsächlich, und was mit den Unglücklichen geschah, die an ihm festgebunden wurden, ist kaum zu beschreiben.

Meyers Roman erfaßt das Leben und den Werdegang von drei Generationen, beginnend mit dem Vorstoß der Familie in den Westen, in noch von Indianern bewohntes und bedrohtes Land. Das Anwesen wird von Indianern überfallen, der Vater ist abwesend, ein Sohn („The Son“), der jüngste, überlebt mit seinem älteren Bruder; die Indianer nehmen beide mit, was nicht selten in solchen Fällen geschah, um sie in ihre Reihen – auch als Kämpfer – aufzunehmen. Ihre Mutter und ihre Schwester werden vergewaltigt und viehisch abgeschlachtet. Der ältere der Brüder ist zu weich, zu empfindsam für die Welt, in die er entführt werden soll; schon bald finden die Indianer das heraus, verlieren ihr Interesse an ihm und töten ihn. Nur der Jüngste, Eli, wird von ihnen akzeptiert und nach und nach einer der ihren, er kämpft mit ihnen, gegen Weiße und Indianer, tötet wie sie, skalpiert wie sie. Doch er bleibt ein Weißer, kehrt zu diesen nach drei Jahren zurück, nachdem sein Stamm sich durch Krankheiten, Hunger und aufreibende Kämpfe nahezu auflöste.

Eli tut sich ungeheuer schwer, in die Zivilisation der Weißen zurückzukehren, sich wieder in sie einzufinden. Doch er beißt sich unbeirrt durch, kämpft nun in den Reihen der Weißen gegen Indianer, tötet diese und angrenzende Mexikaner, lernt das Leben der Weißen kennen, auch ihre geschäftliche Skrupellosigkeit, setzt sich durch und bringt es am Ende zu großem Ansehen und Reichtum mit Vieh und Öl. …

Meyer schildert den Werdegang, das Schicksal der Familie, indem er das Leben von drei Angehörigen verschiedener Generationen aufzeigt, darunter auch das des von den Indianern verschleppten Jungen. Ein epochales, aufklärerisches Werk, das wohl auf dem Weg sein könnte, einen Platz in der Weltliteratur einzunehmen.





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