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Aus der Welt der Literatur



2004-07-05
Die Geschichte der Lucy Gault (William Trevor/Verlag Hoffmann und Campe/ISBN 3-455-07778-1)

An der irischen Küste, unweit des Meeres, liegt das ländliche Anwesen der Gaults, wo Lucy eine behütete Kindheit verlebt. Doch das Land erbebt im Aufruhr, die alten Strukturen geraten aus der Balance, Gefahren tun sich auf, wo zuvor die Menschen im Frieden miteinander lebten. Ein kindlicher Gedanke, ein Entschluß, voller Verzweiflung gefaßt, läßt die Geschicke einer Familie eine unvorhersehbare, unumkehrbare Wendung nehmen. Der irische Autor schreibt eine Sprache, wie sie nur wirklich großen Erzählern zueigen ist und die uns abhanden zu kommen droht, ohne große Gesten, ohne aufgesetzte Dramatik. Gerade die leisen, die zurückhaltenden, auch die ausgelassenen Worte prägen diesen Roman, mit dem William Trevor, der inzwischen in London lebt, eine bewegte Epoche seiner Heimat in Erinnerung ruft.

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Textauszug:

"Er hat mir beigebracht, wie ich mit ihm sprechen kann", sagte sie. "Habe ich dir das schon erzählt? Wenn ich von der Schule nach Hause ging, hat er immer auf mich gewartet."
"Du kannst mit den Fingern sprechen, Lady?"
"Ja."
Sie stand in der offenen Salontür und zeigte es ihm. Die Hände des Fischers waren rauh und vernarbt gewesen und die Handrücken von Altersflecken übersät, und dennoch wollte sie, wenn sie ihm zusah, seine Bewegungen imitieren. Ihre Unterhaltungen glichen denen von Kindern, und sie hatte oft gedacht, daß man von einem alten Mann und einem Kind, die sich nur oberflächlich kannten, nicht mehr verlangen sollte.
"Du warst einsam damals", sagte ihr Vater.
"Es macht nichts, wenn man ein bißchen einsam ist."
"Tja nun, vielleicht nicht."
Versonnen legte er das Buch auf den Tisch zurück, der Lederrücken schlackerte an der Stelle, wo er sich gelöst hatte. Es war Le Fanus 'Irisches Leben', und eine Stromrechnung steckte als Lesezeichen darin. Einen Augenblick lang ruhte seine Hand auf dem zerfledderten Leder, und, wie so oft, konnte man ihm seine Gedanken nicht vom Gesicht ablesen. Es war ihm nicht entgangen, daß es eine Frau gab, auf die sie eifersüchtig war; er wußte, daß sie nicht mehr so darunter litt wie früher. Aber nichts davon wurde jemals angesprochen.
"Wirst du eines Tages den Friedhof in der Schweiz besuchen, Lady? Und Montemarmoreo?"



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