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Aus der Welt der Literatur



2004-03-14
Der Hauptmann von Köpenick (Karl Zuckmayer; Fischer Taschenbuch Verlag)

Unvergessen, unübertroffen in seiner Schilderung der Ausweglosigkeit eines Gestrauchelten, für den die Gesellschaft keinen Platz mehr hat. Es kommt wie eine Humoreske daher, treibt hin und wieder Lachtränen in die Augen. Doch wie uns jeder Clown auch immer etwas von Traurigkeit und Wehmut lehrt, so greift uns bald die Geschichte des Schusters Voigt ans Herz.

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Textauszug:

Oberwachtmeister: Habense sich denn schon nach Arbeit umgesehen?
Voigt: Det mach ick ´n janzen Tach, seit ick raus bin. Ick hab mir schon ´n paar Sohlen kaputtgeloofen. Die Jefängnisleitung hat mir ja ne Empfehlung mitjegeben, aber ick komme jarnich dazu, det ick se vorzeichen kann. Iberall wollense Meldepapiere sehn, und wenn ick in son besseres Jeschäfte fragen will, da glaubense, ick will betteln, da haunse mir gleich raus.
Oberwachtmeister: Also kommense mal wieder, wennse Arbeit haben. Dann können wir weiter sehen.
Voigt: Ick bekomm ja keene Arbeet ohne de Anmeldung. Ick muß ja nu erst mal de Aufenthaltserlaubnis...
Oberwachtmeister: Das schlagense sich mal ausm Kopp. Einem stellungslosen Zuchthäusler können wir keine Aufenthaltserlaubnis geben. Nachher denken Sie ja gar nicht mehr dran zu arbeiten und treiben sich hier rum.
Voigt: Ick muß doch arbeeten. Von wat sollt ick den leben?
Oberwachtmeister: Das ist Ihre Sache. Sehnse zu, daß Sie ´n ordentlicher Mensch werden. Wenn einer arbeiten will, denn kriegt er auch Arbeit.
Voigt: Nee, nee, det is nu ´n Karussell, det is nu ne Kaffeemihle. Wenn ick nich jemeldet bin, krieg ick keene Arbeet, und wenn ick keene Arbeet habe, da darf ick mir nich melden. Denn will ick wieder raus. Denn jebense mir ´n Paß mit ´n Grenzvisum, det ick rieber kann.
Oberwachtmeister: Dafür sind wir hier nicht zuständig.
Voigt: Se haben doch jetzt mein janzet Vorleben da in de Hand, un wennse mir hier nich haben wollen, denn jebense doch beim Alex ein, det ick ´n Paß kriege!
Oberwachtmeister: Ich sage Ihnen doch, dafür sind wir nicht zuständig. Wenn Sie ´n Paß wollen, müssense sich an Ihre Heimatbehörde wenden.
Voigt: Da war´ck jrade jewesen! Aber da habense mir jar nich anjehört. Du bist bei uns abjehängt, habense jesacht. Hier kenn wa dich nich mehr, seit zwanzich Jahren biste jestrichen. Jeh mal ne Ortschaft weiter, die Heimat schämt sich deiner, habense jesacht. Na ja, sach ick, ick will ja nu hier ooch keen Denkmal jesetzt kriegen, ick will ja nur meine Zuständigkeit. Da habense mir rausjeflammt. Nee, nee, da jeh´ck nich mehr hin.
Oberwachtmeister: Na, regense sich mal nicht auf hier.
Voigt: Ick reg mir jarnich uff, ick will nur ´n Papier haben. ´n Papier, det is doch mehr wert als de janze menschliche Konstitution, det brauch ick doch neetijer als det tägliche Brot!
Oberwachtmeister: Jetzt machense mal ´n Punkt.
Voigt: Nee, nee, ick reg mir jarnich uff, aber´t muß ja nu ´n Platz geben, wo der Mensch hingehört! Wenn ick keene Meldung kriege und nich hier bleiben darf, denn will´ck wenigstens ´n Paß haben, det ick raus kann! Ick kann ja nun mit de Füße nich in de Luft baumeln, det kann ja nur´n Erhenkter!
Oberwachtmeister: Ich werde Ihr Gesuch um Aufenthaltseraubnis weitergeben.
Voigt: Jebense mir lieber ´n Paß! Ick will ja wieder raus. Ick will ja nu gerne wieder raus, und ick komme ooch so bald nich wieder, da kennse janz ruhig sind, da kennse Jift druff nehmen! Ick weiß ja nu Bescheid, mir hamse jebrannt, det langt forn Rest!
Oberwachtmeister: Sie haben immer noch unklare Vorstellungen über die Zuständikeitsgrenzen. Für Ihre Paßangelegenheit kommen wir hier nicht in Frage, merken Sie sich das, is gänzlich ausgeschlossen. Ihr Gesuch um Aufenthaltserlaubnis geb ich weiter, aber befürworten kann ich´s nicht, dafür ist Ihr Vorleben zu fragwürdig. Wir haben genug unsichere Elemente in der Stadt. Schluß jetzt.
Voigt: Da mecht ick Ihnen ´n Vorschlag machen...da mecht´ck Ihnen vorschlagen, det se mir gleich expreß wieder in de Plötze zuricktransportieren lassen!
Oberwachtmeister: Raus! Jetzt wird er auch noch frech! Scherense sich raus!
Voigt: Na, nu nich. Ick geh ja schon. Jesegnete Mahlzeit.
Oberwachtmeister: Dummer Kerl! Stiehlt mir ne Viertelstunde von mein Mittach. Zum Schluß schimpft er noch. Naja. Dem trau ich nicht übern Weg. Ich geh jetzt essen. Um halb zwei lös ich Sie ab. Tach, Schlickmann.



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