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Aus der Welt der Literatur



2006-04-28
Kleine Geschichte (Detlef von Liliencron; (aus "Adjutantenritte und andere Gedichte")

(Verse wie von leichter Hand dahingeworfen. Ein lauer Wind, vielleicht ein Tag im Mai? Der Zufall will´s, daß Zwei sich finden. Für einen Sommer lang?)


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Frühsommer war's, am Nachmittag.
Der Weißdorn stand in Blüte.
Ich ging allein durch Feld und Hag
Mit sehnendem Gemüte.

Es trieb mich in den Tag hinein
Ein zärtliches Verlangen
Nach dunkler Laube Dämmerschein
Und weichen Mädchenwangen.

Ich fand ein Wirtshaus, alt, bestroht,
Umringt von Baumgardinen.
Die alte Frau am Eingang bot
Gebäck und Apfelsinen.

Im Garten: Schaukeln, Karussell,
Und Zelte, übersonnte.
Ein Scheibenstand, wo man als Tell
Den Apfel schießen konnte.

Den Affen zeigt Neapels Sohn,
Die Kegelkugeln rollen.
Dort steigt ein roter Luftballon,
Um den die Kinder tollen.

Musik, Gelächter, Hopsasa,
Wo bleibt das hübsche Mädchen.
Da plötzlich in dem Tralala
Ein allerliebstes Käthchen.

Das war ein gar zu liebes Ding,
Goldregenüberbogen.
Just kam ein kleiner Schmetterling
Dicht ihr vorbeigeflogen.

Ich stutzte überraschungsfroh,
Schaut' ihr in Auges Tiefe.
Wenn auch ihr Blick mich immer floh,
Die Augen waren Briefe:

»Geh langsam durch den Garten hier,
Auf buntbelebten Wegen.
Wir treffen uns, ich komme dir
Von ungefähr entgegen.«

So wandr' ich denn, und wie der Dieb
Schiel ich in Näh' und Weite,
Ob bei der Mutter sie verblieb,
Ob sie mir an der Seite.

Indessen steht sie neben mir -
Ich kann nicht Worte finden.
Ein zwei, drei Zoll lang Fädchen schier
Könnt' uns zusammenbinden.

Im Saale trommelt's, quikt und quackt
Der Geiger und der Pfeifer.
Wir tanzen bald in regem Takt
Den alten deutschen Schleifer.

Ich drücke sanft die kleine Hand,
Sie drückt die Hand mir wieder.
Wo dann den Weg mit ihr ich fand,
Da leuchtete der Flieder.

Bleib hier, bleib hier, bis Tageslicht
Und letztes Rot verblassen.
»Ach, Liebster, länger darf ich nicht
Die Mutter warten lassen.«

Bleib hier, ich zeige dir den Stern,
Wo einst wir uns gesehen.
Sieht er uns hier vom Himmel fern,
Dann bleibt er grüßend stehen.

»Laß mich, Herzallerliebster mein,
Die Mutter sucht im Garten.«
So schleiche dir ich hintendrein,
Und will im Dunkel warten.

Wenn alles schwarz und still im Haus,
Dann wart ich in der Laube.
Wenn alles still, dann komm heraus,
Du meine weiße Taube.

Es klinkt die Tür, und gleich darauf
Huscht sie zu mir hernieder,
»Pst, nicht so stürmisch, hör doch auf,
Du weckst die Mutter wieder.«

Von tausend Welten überdacht,
Die ruhig weitergehen.
Es zog ein Stern um Mitternacht,
Und grüßend blieb er stehen




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