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Aus der Welt der Literatur



2005-02-01
Aus Fernen, aus Reichen (Gottfried Benn)

Tod und Vergänglichkeit spielten in den Werken aller großen Literaten eine dominierende Rolle, und mit fortschreitendem Alter nahmen ihre Gedanken über die Endlichkeit allen Seins im allgemeinen und den Verlust nahestehender Menschen im besonderen einen immer breiteren Raum ein. So auch bei Benn, dessen Lyrik immer schon von Schmerz- und Trennungsphantasien geprägt war. Das nachstehende Gedicht liefert hierfür ein eindrucksvolles Zeugnis ab, dessen Zeilen wohl niemanden unberührt lassen.

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Was dann nach jener Stunde
sein wird, wenn dies geschah,
weiß niemand, keine Kunde
kam je von da,
von den erstickten Schlünden,
von dem gebrochnen Licht,
wird es sich neu entzünden,
ich meine nicht.

Doch sehe ich ein Zeichen:
Über das Schattenland
aus Fernen, aus Reichen
eine große, schöne Hand,
die wird mich nicht berühren,
das läßt der Raum nicht zu:
doch werde ich sie spüren,
und das bist du.

Und du wirst niedergleiten
am Strand, am Meer,
aus Fernen, aus Weiten:
„.....erlöst auch er“;
ich kannte deine Blicke,
und in des tiefsten Schoß
sammelst du unsere Glücke,
den Traum, das Los.

Ein Tag ist zu Ende,
die Reifen fortgebracht,
dann spielen noch zwei Hände
das Lied der Nacht,
vom Zimmer, wo die Tasten
den dunklen Laut verwehn,
sieht man das Meer und die Masten
hoch nach Norden gehn.

Wenn die Nacht wird weichen,
wenn der Tag begann,
trägst du Zeichen,
die niemand deuten kann,
geheime Male
von fernen Stunden krank
und leerst die Schale,
aus der ich vor dir trank.



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