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Aus der Welt der Literatur



2004-12-10
Zum König (Magnus Mills; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; ISBN 3-518-41652-9)

Windig ist es auf der Hochebene in diesem Landstrich, den niemand kennt. Und einsam dazu. Eine handvoll aus Blech erbauter Häuser liegt in alle Himmelsrichtungen verstreut; so weit auseinander, daß die eigenbrötlerischen, sonderlichen Männer, die in ihnen hausen, sich nicht vom anderen bedrängt fühlen. Eines dieser im Sturmwind ächzenden Häuser mit festungsartigen Luken, an deren dem Wind zugewandten Seite sich Tag für Tag der Sand anhäuft, bezog zu irgendeiner Zeit der Erzähler. Seinen Namen erfahren wir nicht, nichts von seinem bisherigen Leben, bevor er sich dort niederließ, noch viel weniger von seinen Nachbarn, die hin und wieder zu einem Besuch wie zu einer Expedition aufbrechen. Bis eines Tages eine Frau vor der Tür steht, ungerufen........und fortan ist nichts mehr, wie es war. Eine sonderbare Geschichte ist es, die Mills erzählt. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen miteinander; geschah das ganze vor hundert Jahren? Oder wird es sich erst in hundert Jahren ereignen?

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Textauszug:

Ich wohne in einem Haus, das ganz und gar aus Blech gebaut ist, mit vier Blechwänden, einem Blechdach, einem Blechschornstein und einer Blechtür. Eben ganz und gar aus Blech.
Mein Haus hat keine Fenster, weil es draußen nichts zu sehen gibt. Es gibt zwar Luken, die geöffnet werden können, um ab und zu Licht hereinzulassen, aber die meiste Zeit bleiben sie als Schutz vor dem Wetter geschlossen. Es steht an einem abgelegenen Ort, mein Haus, weit oben auf der Hochebene. Nachts knarrt und ächzt es, wenn der Wind stundenlang daran rüttelt, auf der Suche nach einem Spalt, durch den er hineinschlüpfen könnte. Sogar die Tür muß dann oben und unten verriegelt werden, damit sie nicht aufgestoßen wird. Früher habe ich mir oft Sorgen gemacht, daß mir eines Tages das Dach über dem Kopf weggeweht werden könnte, aber bisher ist das noch nicht passiert, und mittlerweile bin ich sicher, daß die Konstruktion ganz stabil ist. Der Mann, der es erbaute, hat dafür gesorgt. Vor ein paar Jahren stieß ich auf das Haus, es stand leer, und ich richtete mich darin ein. Auf den ersten Blick wußte ich, daß es alles hatte, was ich brauchen würde: ein Ort, an dem ich ungestört essen und trinken und schlafen konnte, vor den Elementen geschützt durch nichts als eine Schicht Wellblech. Eine sehr bescheidene Behausung, muß ich zugeben, aber sie sah sauber und ordentlich aus, und so zog ich ein. Lange Zeit war ich hier ziemlich zufrieden und überzeugt, ich würde keinen besseren Ort zum Leben finden. Aber dann stand eines Tages eine Frau vor meiner Tür und sagte: „Also hier hast du dich die ganze Zeit versteckt.“



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