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27.06.2006 Ingeborg-Bachmann-Preis 2006

Daniel Kehlmann nannte kürzlich den vor wenigen Tagen zum 30. Mal durchgeführten Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb ein „hauptsächlich der Erniedrigung von Autoren dienendes Fernsehspektakel“. Er blieb damit seiner Linie treu, denn eine seinerzeit an ihn gerichtete Einladung zur Teilnahme schlug er aus.

Achtzehn angehende Autoren lasen vor laufender Kamera und strenger Jury nebst Publikum aus ihren Arbeiten vor. Am Ende gab es eine Siegerin (Kathrin Passig) im momentanen literaturbetriebskonformen Zielalterskorridor von 36 Jahren, gewandet in Tarnfarben, wie sie sonst von Soldaten bevorzugt werden. Da sich die Juroren zumeist über die Bewertung der Texte nicht einigen konnten, ergingen sie sich in peinlichen Stichwahlverfahren. Und damit sich die Enttäuschung der siebzehn Nichtbedachten in Grenzen hielt, wurden gleich noch ein paar Trostpreise verliehen.

Für die Vorleser bestand Anwesenheitspflicht, während die Jury ihren Text diskutierte. Das war es wohl, was Kehlmann mit „Erniedrigung von Autoren“ meinte. Schmachvoller, demütigender geht es kaum mehr, was Jurymitglieder den zum Schweigen verurteilten Autoren, die eher an Delinquenten erinnerten, antun zu müssen glaubten.

Textkürung per Handzeichen? Soundsoviel Ja-Stimmen, soundsoviel Nein-Stimmen? Mit Juroren-Bewertungen wie „Gequatsche“, „Geplapper“, ‚“toll“, „blöd“, „mit mir nicht“ und „Bauchklatscher“? Oder „sehr gut“? Doch wann ist ein Text sehr gut? Wann ein Musikstück, wann ein Bild, wann eine Skulptur? Und vor allen Dingen: wann ist ein Werk besser als ein anderes? Kunst nach rationalen, meßbaren Kriterien in eine Rang- und Reihenfolge bringen?

Der Siegertext („Sie befinden sich hier“) ist – um vergleichbar in der Jury-Terminologie zu bleiben – nicht schlecht. Doch in den Enthusiasmus des Preisgerichts kann Kritikus nicht einstimmen. Es sollen sich – wie in jedem Jahr – Hunderte Schreibwillige und Schreibwütige unerwünscht für Klagenfurt beworben haben. Ein erklecklicher Teil von ihnen wäre, wenn man ihn denn vorgelassen hätte, vermutlich nicht sonderlich abgefallen.

Bislang erregte die Siegerin weniger durch ihr belletristisches Schaffen, vielmehr durch ihre – publizierten – sadomasochistischen Vorlieben Aufmerksamkeit. Mit der Klagenfurter Anschubhilfe ändert sich das nun vielleicht.



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