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Buch des Monats


Hier stellen wir Ihnen "Das Buch des Monats" vor. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sie orientiert sich auch nicht an den gängigen Publikationen über die aktuelle literarische Szene, sondern spiegelt einzig und allein die subjektive Meinung und das Literaturverständnis der Redaktion wider.

Wir werden uns zwar immer alle erdenkliche Mühe bei unserer Auswahl geben. Gleichwohl können wir nicht ausschließen, daß unser ausgesuchtes Buch des Monats nicht immer ungeteilten Beifall findet. Doch dieses Risiko wollen wir in Kauf nehmen.




Das Buch des Monats August 2010
Titel: Jugend (im Verbund mit zwei weiteren Erzählungen)
Autor(en): Joseph Conrad
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag (345 S. / € 9,50)
ISBN-Nr.: 3-596-90163-0

Die Geschichte ist nicht lang, bringt es in der 2009 herausgebrachten Neuauflage des Fischer-Verlags auf nur knappe 40 Textseiten, wobei sich Manfred Allié bei seiner Übersetzung akribisch an das englische Original hielt, wir es also im Grunde mit der Ursprungsfassung zu tun haben.
„Jugend“ („Youth“) zählt neben den zwei mitveröffentlichten Titeln („Herz der Finsternis“ u. „Das Ende vom Lied“) zu den bedeutendsten Erzählungen Conrads (Reich-Ranicki: „Sie ist mir unvergeßlich.“).

Es geht um einen jungen Mann, der bei seiner ersten Fahrt als 2. Offizier auf einem alten Kohlendampfer vor schicksalhafte Herausforderungen gestellt wird. Mit der Leichtigkeit und Zuversicht seiner Jugend stellt sich der erst Zwanzigjährige der heraufziehenden Katastrophe, bewährt sich unter den kritischen, argwöhnischen Blicken des betagten Kapitäns und des gleichfalls in die Jahre gekommenen 1. Offiziers. Am Ende ist der Kampf um das Schiff vergeblich, die Besatzung muß in die Boote. Marlow, so heißt der junge Offizier, übernimmt eines der drei Rettungsboote, die sich in der Weite der See verlieren, und bringt es als erstes unversehrt an die Küste. Der Kapitän und der 1. Offizier folgen ihm mit Abstand.

Der Erzähler „Marlow“ spielt in Conrads Texten eine herausragende Rolle, und viele wollen in ihm Conrad selbst entdeckt haben, der gleichfalls viele Jahre zur See fuhr. Marlow selbst wiederum wird von einem Unbekannten ins Spiel gebracht, der diesem, in größerer Runde, lauscht. Am Ende läßt Conrad den nicht weiter beschriebenen Zuhörer mit Gedanken zurück, die alles sagen, was Alter und Jugend trennt. Es sind Sätze von der Art, wie man sie in der Gegenwartsliteratur, zumal in der deutschen, so schmerzlich vermißt und wie man sie kaum mehr findet:

„Und alle nickten wir: Der Unternehmer, der Buchhalter, der Jurist, wir alle nickten ihm über den polierten Tisch hin zu, in dem sich wie in einer unbewegten braunen Wasserfläche unsere Gesichter spiegelten, alt und runzlig geworden; unsere Gesichter, gezeichnet von Mühen, Enttäuschungen, Erfolg und Liebe; unsere müden Augen, die noch immer, wie von Anfang an, begierig nach etwas im Leben suchen, das doch schon dahin ist, während man noch danach Ausschau hält – das unbemerkt vorübergegangen ist, in einem Seufzer, einer Sekunde – zusammen mit unserer Jugend, mit unserer Stärke, mit dem Glück unseres Traums.“

Hinweis:
Vorherige "Bücher des Monats" können Sie weiterhin in unserem Archiv einsehen.




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