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Buch des Monats


Hier stellen wir Ihnen "Das Buch des Monats" vor. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sie orientiert sich auch nicht an den gängigen Publikationen über die aktuelle literarische Szene, sondern spiegelt einzig und allein die subjektive Meinung und das Literaturverständnis der Redaktion wider.

Wir werden uns zwar immer alle erdenkliche Mühe bei unserer Auswahl geben. Gleichwohl können wir nicht ausschließen, daß unser ausgesuchtes Buch des Monats nicht immer ungeteilten Beifall findet. Doch dieses Risiko wollen wir in Kauf nehmen.




Das Buch des Monats Mai 2012
Titel: Das Dorf / Suchodol
Autor(en): Iwan Bunin
Verlag: Dörlemann (380 Seiten, € 24,90)
ISBN-Nr.: 9783908777700

Das Rußland des späten 19. Jahrhunderts, das noch zaristische Rußland mit seinen atemberaubenden Gegensätzlichkeiten, seinen schier unglaublichen sozialen Verwerfungen, bildet den Hintergrund für die zwei frühen Erzählungen Bunins, die er 1910 und 1912 schrieb und die vor wenigen Wochen vom Dörlemann Verlag dankenswerterweise in neuer Übersetzung herausgegeben wurden. Keine Balaleika-Seligkeit, kein heimeliges Dorfidyll mit russischer Gemütlichkeit warten auf den Leser, nein. Bunin, der wußte, wovon er schrieb, lebte in seiner Kindheit einige Jahre auf einem der unzähligen heruntergekommenen Güter, wurde Zeuge all der Verzweiflung, der Entbehrungen und der Brutalität, die den damaligen Alltag prägten; die noch etwas Besitzenden in der steten Angst vor Enteignung und anderen Schikanen, die Ärmsten unter den Armen, die Tagelöhner, im fortwährenden Kampf ums tägliche Brot für ihre Familien begriffen, ums nackte Überleben ringend. Die Leibeigenschaft wurde im wesentlichen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschafft, und der Fall des Zarenreichs, die damals vermeintliche Wurzel allen Übels, war nicht ansatzweise zu erhoffen. Ein tristes Leben, ohne Aussicht auf eine nennenswerte Wendung zum Besseren. Hiervon ist in beiden Erzählungen, auf unterschiedliche Weise, die Rede.

Bunin, der zu Beginn Anhänger der Oktoberrevolution war, sagte sich jedoch bald davon los, als er sah, wohin sich die Dinge unter Stalin und dem Einfluß des Marxismus entwickelten, verhielt sich in der Folge zunächst eher unpolitisch. Mit siebzehn Jahren schrieb er bereits erste Gedichte, brachte sich mehr oder weniger autodidaktisch Englisch bei und übersetzte anschließend englischsprachige Literatur ins Russische. Zwei Ehen scheiterten, mit der dritten Frau emigrierte er 1920, zwei Jahre nach der Oktoberrevolution, nach Frankreich, wo er 1953 im Alter von 83 Jahren starb. Für sein umfangreiches literarisches Werk - Erzählungen, Romane, Gedichte - wurde er 1933 als erster russischer Autor mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Da er sich schon bald sehr kritisch mit den Zuständen im nachzaristischen Rußland befaßte, fiel er in seiner Heimat in Ungnade, doch schon 1956, kurz nach seinem Tod, wurde er in der Sowjetunion rehabilitiert.

Der Dörlemann Verlag bringt nicht einfach nur Bücher heraus, keineswegs, er zelebriert Bücher, verlegt nur relativ wenige, dafür besonders ausgesuchte Autorinnen und Autoren, druckt sie als kleine Kostbarkeiten mit wunderschönem Einband samt Lesebändchen. Solcherart Bücher gibt man oder legt man nach der Lektüre nicht einfach weg, für sie findet sich im Regal, in der Bücherwand, in der Bibliothek immer ein passendes Plätzchen, fürs Auge, fürs gedankenvolle Wiederaufblättern an einem stillen Sonntagnachmittag.


Hinweis:
Vorherige "Bücher des Monats" können Sie weiterhin in unserem Archiv einsehen.




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